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Heute folgt der dritte und letzte Teil unseres Reiseberichts mit der Le Commandant Charcot. In dem Teil kommen wir durch den Ammassalik Fjord in Kuummiut an, bereisen Sie Blosseville Küste und erreichen den nördlichsten Punkt unserer Erde!
Falls Sie die ersten beiden Teile noch nicht gelesen haben, sollten Sie das unbedingt nachholen. Den ersten Teil des Reiseberichts finden Sie hier:
Erster Teil des Reiseberichts
Den zweiten Teil des Reiseberichts finden Sie hier:
zweiter Teil des Reiseberichts
Freitag, 6.5.22 – Ammassalik Fjord / Kuummiut
Heute haben wir den Ammassalik Fjord erreicht und sind auf dem Weg Richtung Kuummiut. Für uns begann der Tag um 6:45 Uhr und einem kleinen Frühstück und Kaffee und Tee auf Deck 9 in der Observation Lounge. Hier gibt es ab 7 Uhr morgens kleine frische Croissants, frische Früchte und eine Auswahl an Joghurt. Das Panorama der beeindruckenden Berge, dem blauen Himmel und der strahlenden Sonne zog uns aber schnell nach draußen aufs Deck für tolle Fotos.
Im Anschluss durften wir uns alle Kabinenkategorien an Bord ansehen. Wow - mein absolutes Highlight ist die Duplex-Suite. Sie befinden sich alle im Heck des Schiffes und erstrecken sich über 2 Etagen. Ein Wohnbereich mit Sesseln, Sofa, einem Elektro-Kamin und einem Essbereich für 6 Personen. Die Suite hat riesige Panoramafenster, eine großzügige Terrasse mit Outdoor-Lounge und Jacuzzi. Das wäre meine Wahl für die nächste Reise ;-) Ein Butler steht zur Verfügung und lässt keinen Wunsch unerfüllt. Hier gibt es dann auch das was ich in unserer Kabine vermisse: zwei Ferngläser. Das Expeditionsteam ging zuerst von Bord, um die Eisdicke zu checken damit wir gefahrlos das Schiff verlassen können. Sobald das Eis freigegeben ist, dürfen auch wir das Schiff verlassen.
Wir liegen heute mit unserem Eisbrecher wieder mal vor einer atemraubenden Kulisse, denn vor uns liegen die wunderschönen verschneiten Berge und Gletscher Ost-Grönlands. Der Himmel ist strahlend blau und die Sonne strahlt mit uns um die Wette. Was haben wir ein Glück mit dem Wetter, mehrmals betont die Crew und das Team, dass das keine Selbstverständlichkeit ist zu dieser Jahreszeit. Wir verlassen das Schiff für einen Spaziergang auf dem Eis, wer möchte kann wieder Eisangeln. Wir entschließen uns für einen entspannten Walk zusammen mit dem Expeditionsteam. Auch hier wurde uns wieder viel erklärt, das Team der Wissenschaftler nimmt Proben der Eisbohrungen mit für das Labor. Die Ergebnisse werden tiefgekühlt an Bord gebracht und teilweise in Labore an Land geschickt, da nicht alle notwendigen Analysegeräte im Labor an Bord sind. Es wird geprüft, in welchem Zustand das Eis ist, welche Einschlüsse im Eis sind und was sich daraus schliessen lässt, auch im Hinblick auf den Klimawandel.
An diesem heutigen Tage steht ein weiteres Highlight auf dem Programm: der sogenannte „Polar-Plunge“. Ein fester Bestandteil einer Polar-Expedition bei Ponant. Wer sich traute und vor allem wer das „go“ vom Arzt dafür hatte, konnte am Rand der Eisfläche in das eisige Wasser springen, natürlich an einer Leine – nur was für Hartgesottene, aber getraut haben sich schon ein einige. Meinen vollsten Respekt, ich habe es vorgezogen, im beheizten Pool im Heck auf Deck 5 zu plantschen. ;-) Wichtig zu wissen: für den PolarPlunge benötigt es ein EKG des Arztes. Am besten im Vorfeld beim Hausarzt machen, geht aber gegen Gebühr auch beim Bordarzt.
Unser Mittagessen genießen wir unter freiem Himmel draußen in der Sonne. Nun ist wirklich T-Shirt Wetter und das in Grönland, Anfang Mai. Am Nachmittag stiegen wir nochmal in die Zodiacs um das Dorf Kuummiut, welches am Ende des Ammassalik-Fjords liegt, zu besuchen.
Kuummiut wurde im Jahre 1915 als Missionsstation gegründet. Das Dorf ist es eine ruhige Fischer- und Jägergemeinde mit etwa 300 Einwohnern, ähnlich wie viele andere Dörfer in Grönland. Aber hier draußen gibt es etwas, was andere Dörfer nicht so viel haben, erzählen uns die Einwohner. Und das ist Schnee – viel Schnee. Kuummiut ist für seine extremen Schneemengen bekannt, und jedes Jahr gibt es hier viele Tage mit Pulverschnee für Skifahrer, die die vielen Pisten vom Gipfel der Berge bis runter ins Tal rund um die Siedlung und im alpinen Hinterland nördlich und westlich des Dorfes nutzen. Die kleinen, bunten Hütten der Einwohner sind dabei teilweise bis zum Dach von Schneebergen umringt. Daher bricht ein Teil der Passagiere zu einer anstrengenden Schneeschuh-Tour auf, um einen Berg in Kuumiut zu besteigen. Die Bilder die wir im Anschluss sehen konnten haben gezeigt: diese Anstrengung hat sich definitiv gelohnt. Ein einzigartiger Blick auf den Fjord, die bunten Häuser und uns Eisbrecher der beschaulich im Fjord lag.
Den Abend lassen wir bei einer Tasse Tee in der Observation Lounge ausklingen und versuchen all unsere Eindrücke vom Tag in den sozialen Medien zu posten. Dem kostenfreien WLAN an Bord sei Dank, das überwiegend auch sehr gut funktioniert. Wir legen schlagartig unsere Handys zur Seite, als wir sehen welch ein schöner Abendhimmel draußen ist. Der Himmel ist rosa und erinnert an Zuckerwatte, das Wasser ist spiegelglatt, die Sonne versinkt hinter den verschneiten Bergen Ost-Grönlands. Morgen wird nochmal ein spannender Tag, denn bereits während der Zodiac Fahrt sagte jemand vom Expeditionsteam, dass wir morgen, auf dem Weg nach Blosseville gute Chancen haben, Eisbären zu sehen – es bleibt spannend.
Samstag, 07.05.2022, Blosseville Küste
Heute morgen ist es zuerst noch etwas grau und bedeckt. Ein völlig ungewohnter Anblick auf unserer Reise. Unser Schiff die Le Commandant Charcot arbeitet sich lauthals durch viel Eis und wieder stehe ich vorne auf Deck und meine Augen können nicht glauben, wie souverän sich das Schiff durch das Eis „arbeitet“. Am späten Vormittag reißt der Himmel auf und es wird sonnig. Jetzt können wir auf dem Eis deutliche und sehr viele Eisbären-Spuren sehen. Am Nachmittag sind wir dann mit den Zodiacs die Blosseville Küste entlang gefahren. Wir haben heute als Guide eine Meeresbiologin im Zodiac, die ein Unterwasser-Mikro dabei hat. Das wirft sie aus und wir hören viele spannende Geräusche, z.B. die von Robben die sich in der näheren Umgebung im Wasser befinden.
Die Blosseville-Küste ist ein langer Küstenabschnitt im König-Christian-IX-Land im Osten Grönlands und ebenfalls von Packeis und Eisbergen umgeben, die nur kleinen Schiffen den Zugang ermöglichen. Wir landeten an einem kleinen Küstenabschnitt an, nach dem französischen Leutnant Jules de Blosseville benannt, dem Kommandanten der "La Lilloise". Dieser sichtete 1833 zum ersten Mal den unerforschten Küstenabschnitt zwischen dem 68. und 69. nördlichen Breitengrad. Das Expeditionsteam erklärte weiterhin, dass er wohl beschloss, die Küste genauer zu erkunden zunächst nach Island segelte, um sein Schiff zu reparieren. Dann kehrte er in das Gebiet dieser Küste zurück, verschwand aber spurlos. In den folgenden Jahren wurden drei Expeditionen organisiert, um Leutnant Blosseville und die 83 anderen Männer an Bord des Schiffes zu finden, aber es wurde keine Spur gefunden. Die Küste wurde schließlich im Jahr 1900 von Georg Carl Amdrup im Rahmen der Carlsbergfund-Expedition nach Ostgrönland erforscht und kartiert.
Im Gegensatz zu Leutnant Blosseville haben wir es aber wieder sicher auf die Le Commandant Charcot geschafft. Am Abend verfolgen wir mit Spannung den Fotowettbewerb im Theater, bevor es für uns zum Abendessen geht. Heute essen wir im Sila Restaurant auf Deck 9 - das Buffetrestaurant. Wir haben einen Tisch direkt an den großen Panoramafenstern, draußen ist es taghell - obwohl es schon kurz vor 22 Uhr ist und wir sehen Eis, Eis und nochmal Eis. Ein Anblick an dem ich mich definitiv nicht satt sehen kann. Satt bin ich nur vom unglaublich leckeren Essen an Bord, vor allem die Desserts sind sowas von gut.
Nach dem Abendessen gehen wir wieder in die Observation-Lounge und dürfen wieder einem Naturschauspiel beiwohnen, einem Sonnenuntergang den man so nicht alle Tage sieht, denn der Himmel brennt gefühlt, die verschneiten Berge, das viele Eis rund um unser Schiff. Wieder ein absoluter Gänsehaut-Moment unserer Reise.
Sonntag, 08.05.2022 Nord Polar Kreis
Heute bin ich wieder sehr früh wach, denn heute sollen wir doch tatsächlich Eisbären sehen. Als ich gegen 6 Uhr an Deck gehe, hat unser Schiff bereits im Eis festgemacht und wieder liegen Gletscher und eine riesige Eisfläche im Fjord vor uns. Von Bord kann man die Eisbärenspuren eindeutig erkennen. Und gegen 8 Uhr entdecken wir dann nicht unbedingt aus nächster Nähe, aber mit eigenen Augen in freier Natur den ersten Eisbären. Das Expeditionsteam hat die Tage zuvor schon fleißig Ausschau für uns gehalten und nun sind sie endlich fündig geworden. Wir halten einen respektvollen Abstand mit dem Schiff ein und man kann die mittlerweile 4 Eisbären wirklich nur mit den Ferngläsern beobachten, aber das reicht uns völlig aus. Das Schiff darf natürlich niemand verlassen, wir wollen die Tiere nicht stören und es wäre auch viel zu gefährlich.
Unter den 4 Eisbären, befindet sich ein junger Eisbär. Die Experten an Bord vermuten, dass er nicht älter als ein Jahr ist. Das ist zu eindrucksvoll… Man kommt wirklich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Spätestens jetzt wird mir völlig klar, dass es ein großer Fehler war, kein eigenes Fernglas einzupacken. Wussten Sie, dass ihr Fell aus einer Schicht dichten Unterfells und einer äußeren Schicht aus Schutzhaaren besteht, die weiß bis hellbraun erscheinen, aber eigentlich durchsichtig sind? Das weiße Fell vergilbt normalerweise mit dem Alter. Die großen Füße der Tiere sind deshalb so groß, um die Last beim Laufen auf Schnee oder dünnem Eis besser verteilen zu können und beim Schwimmen für den Vortrieb zu sorgen. Die Pfotenballen sind mit kleinen, weichen Papillen (Hautwülsten) bedeckt, die die Bodenhaftung auf dem Eis gewährleisten – ähnlich wie kleine Stollen bei unseren Wanderschuhen.
Eisbären leben als Einzelgänger. Sie können miteinander konkurrieren, wenn Beute in der Nähe ist. In solchen Fällen läuft der kleinere Bär normalerweise weg. Eisbären können unter Wasser tauchen, um ihre Beute zu fangen, wobei sie die Augen offen lassen und bis zu 2 Minuten lang die Luft anhalten können.
Heute haben wir außerdem den Polarkreis erreicht, ebenfalls ein ganz besonderes Ereignis dieser Reise. Zur Feier des Tages hat sich deswegen die ganze Crew und alle Gäste am Helikopter Deck zur Polarkreis-Taufe versammelt – es gibt Champagner, ein Gruppenfoto mit Crew und Gästen. Auf der Kabine lag dann für jeden eine persönliche Urkunde mit Unterschrift des Kapitän. Sie bestätigt offiziell, dass man den Polarkreis erreicht hat und dabei eine Route gefahren ist, die schon während der sogenannten Dänemark Expedition genutzt wurde.
Die Dänemark-Expedition zur Nordostküste Grönlands fand bereits 1906-1908 statt. Obwohl sie vom tragischen Tod des Hauptforschungsteams, darunter drei der führenden Mitglieder der Expedition, überschattet wurde: Ludvig Mylius-Erichsen, Niels Peter Høeg Hagen und Jørgen Brønlund, war die Dänemark-Expedition kein Fehlschlag. Sie erreichte ihre wichtigsten kartografischen Ziele und war erfolgreich bei der Erkundung der riesigen Region, zeichnete genaue Karten von bisher unerforschten Küsten und Fjorden, benannte zahlreiche geografische Merkmale und sammelte eine Fülle von wissenschaftlichen Daten, auf die noch heute zugegriffen wird, um Veränderungen zu messen und dieses Gebiet zu schützen.
Da dieser besondere Tag aber auch gleichzeitig das Ende dieser überwältigenden Reise einläutet, hat sich das gesamte Team feierlich von uns im Theater verabschiedet. Da musste ich glatt ein Tränchen verdrücken, denn es hat einfach alles auf dieser Reise gepasst: die Route, die herzliche Crew, der sehr sympathische Kapitän und unsere Mitreisenden. Da wurde ich tatsächlich emotional, dass es nun bald vorbei sein soll. Nun geht es zum Gala Dinner, um das bevorstehende Ende der Reise gebührend abzuschließen. Die Crew um Kapitän Garcia hat beschlossen, schon heute Abend volle Kraft voraus Richtung Island aufzubrechen, da schlechtes Wetter erwartet wird. Und somit soll der Seegang in die Nacht verlegt werden, während der Großteil an Bord gemütlich schlummert und vermutlich nicht viel davon mitbekommt.
Montag, 09.05.2022, Seetag
Ich werde wach durch ein ordentliches Schunkeln, eigentlich ganz gemütlich. Bis ich das Bett verlasse und merke: das wird eine Herausforderung. Oben in der Observation Lounge kann man sehr gut beobachten, wie die meterhohen Wellen vorne über das Bug schwappen und wie rau die See ist. Der Himmel ist grau, der Regen peitscht gegen die Fenster. Wirklich nichts für Menschen, die anfällig sind für Seekrankheit. Schnell ein Frühstück für uns, bevor wir uns wieder auf die Kabine begeben und ein ausgiebiges Schläfchen machen. Die leichte Übelkeit machen uns sehr müde und im liegen lässt es sich definitiv besser aushalten.
Am frühen Nachmittag reißt der Himmel auf, die See beruhigt sich. Aufatmen, das Schlimmste auf dem Weg zurück nach Island haben wir wohl überstanden. Plötzlich kommt eine aufgeregte Durchsage vom Kapitän: es sind Buckelwale auf der Backbord-Seite zu sehen. Wir rennen auf Deck 5 und können unseren Augen nicht trauen: zwei Buckelwale schwimmen ganz nah an unserem Schiff. Einige Zeit später entdecken wir auch noch einen Orca. Das gibt es nicht - dass wir das auch noch zu sehen bekommen.
Am Nachmittag gönne ich mir noch eine Anwendung im SPA. Während meiner wohltuenden Gesichtsbehandlung erklärt mir die Kosmetikerin, dass es immer wichtig ist bei Seekrankheit ausreichend zu essen (klingt komisch, ist aber so), ausgeschlafen zu sein und nicht zu frieren. Was für ein guter Tipp, werde ich bei meiner nächsten Seereise dran denken. Was mich während meiner Reise noch brennend interessiert: die Ausstattung des Bordhospitals. Ein junger Krankenpfleger nimmt sich die Zeit, mir alles ausführlich zu erklären. Ich bin restlos begeistert, wie gut das Hospital ausgestattet ist. Ein kleiner Operationssaal, ein komplett ausgestattetes Labor, sowie zwei Intensivbetten und zwei Patientenzimmer. Sogar der eigene medizinische Sauerstoff kann an Bord der Le Commandant Charcot produziert werden. Mir wird erklärt, dass das extrem wichtig sei, weil dieses besondere Schiff oftmals tagelang außerhalb jeglicher Zivilisation unterwegs ist. Vier Tage kann ein Patient intensiv-medizinisch hier an Bord betreut werden, sollte es notwendig sein.
Schon am Abend erreichen wir Island und dürfen nochmals einen wunderschönen Sonnenuntergang in Island erleben, bevor wir am nächsten Morgen um 7 Uhr das Schiff verlassen, um an den Flughafen zu kommen.